Zwangsräumungen

04.06.24 –

Vorgang: KA/0708/IX

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

  1. Was versteht das Bezirksamt in Abgrenzung zu Abschiebungen und der Durchsetzung von Nutzungsuntersagungen unter Zwangsräumungen?
    Eine Zwangsräumung von Wohnraum wird auf der Grundlage einer vollstreckbaren Ausführung des Räumungsurteils (Kopie des Urteils mit amtlichem Stempel) durchgeführt. Dem muss eine schriftliche (fristlose/fristgemäße) Kündigung des Mietverhältnisses und Räumungsklage beim zuständigen Amtsgericht vorausgegangen sein. Das Amtsgericht muss dem Antrag gefolgt sein und ein Urteil auf Räumung der Wohnung verkündet haben (Räumungstitel).
    Neben einer kompletten Beräumung der Wohnung gibt es auch die „Berliner Räumung“:
    Hier nutzt die Vermietung ihr Pfandrecht und lässt nur das Türschloss auswechseln. Nach Begleichung aller ausstehenden Kosten sind viele Vermietungen meist bereit, neue Mietverträge mit den „alten“ Mietern abzuschließen.
     
  2. Wie viele Beratungen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit hat das Bezirksamt im Jahr 2023 durchgeführt und mit welchem Erfolg gelingt es Menschen, mit Hilfe des Bezirksamts ihren Wohnraum zu erhalten?
    Die Fachstelle Soziale Wohnhilfe Lichtenberg führte im Jahr 2023 insgesamt 5.723 Beratungen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit durch. Ein Erfolg der Beratungen kann nicht statistisch erhoben werden.

    Das Stadtentwicklungsamt selbst führt keine Beratungen von Mietern durch, hat jedoch damit zwei separate externe Mieterberatungen dauerhaft beauftragt. Dieses kostenfreie Angebot ist an alle Einwohner des Bezirks adressiert.

  3. In welchen Produkten werden die Haushaltsansätze für diese Beratungen abgebildet und sind die Haushaltsansätze auskömmlich?
    Im Produkt „80635-Sozialpädagogische Prävention zum Wohnraumerhalt“ wird jede beratene Person (nur eine Person je Haushaltsgemeinschaft) ab Vollendung des 15. Lebensjahres nur einmal im Monat erfasst, auch wenn sie mehrmals im Monat vorspricht und jeweils beraten wird. Nur Personen mit dokumentierten Leistungen (revisionssicher) werden gezählt. Auf diesem Produkt werden die Mengen erfasst, welche durch bezirkliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter erbracht wurden. Hier gilt allerdings der Grundsatz: Je intensiver (zweitaufwändiger) die Beratung ausfällt, desto höher kann sich der bezirkliche Stückkostenpreis entwickeln, was vor allem bei gegenläufiger Entwicklung von Stückkosten in anderen Bezirken gegebenenfalls Budgetverluste zur Folge haben kann.
    Bei den gebuchten Kosten auf dem Produkt 80635 handelt es sich überwiegend um Personalkosten, deren Prognose bei 100% liegt, so dass sie für das gesamte Produkt auskömmlich sind.
     
  4. Wie viele Mietparteien haben bei den kostenlosen Mieterberatungen im Bezirk in 2023 Beratungen zu Kündigungen und Eigenbedarf nachgefragt?
    Nach Rückmeldung der Mieterberatungen haben sich 2023 insgesamt 51 Mietparteien zum generellen Kündigungsthemen beraten lassen. Diese setzten sich inhaltlich wie folgt zusammen:
    • 19 mieterseitige Kündigungen
    • 13 Kündigung wegen Zahlungsverzug
    • 13 Kündigung wegen Eigenbedarf
    • 6 Räumungsklagen
     
  5. Welche Erkenntnisse zu Zwangsräumungen im Bezirk haben die Mieterberatungen aus ihrer Beratungstätigkeit gewonnen?
    Im direkten Zusammenhang mit Zwangsräumungen kamen 2023 keine Ratsuchenden in die Mieterberatung. Alle Räumungsklagen wurden auf Grund von Mietzahlungsverzug eingereicht.
    Die Erfahrung zeigt, dass sich viele Betroffene nicht rechtzeitig an eine mietrechtliche Beratung wenden und daher oftmals Rechtsmittelfristen abgelaufen sind.
    Ein weiteres Problem für den Verlust einer Mietwohnung stellt die regelmäßig verwendete Form der Kündigung dar. So sprechen die Vermieter vorsorglich mit der fristlosen Kündigung auch eine ordentliche Kündigung aus. Liegt wie o. a. ein Zahlungsverzug gem. § 543 BGB einer fristlosen Kündigung zugrunde, kann eine Nachzahlung des geschuldeten Mietrückstandes zwar die fristlose Kündigung unwirksam machen. Jedoch bleibt die fristgerechte ordentliche Kündigung wirksam.
     
  6. Welche Ansätze, um Zwangsräumungen abzuwenden, verfolgt das Jobcenter und mit welchem Erfolg gelingt es ihm, Zwangsräumungen im Bezirk abzuwenden?
    Sofern der Vermieter bereit ist, dass Mietverhältnis fortzusetzen, kann die Übernahme der Mietschulden und der sonstigen mit der Räumungsklage verbundenen Kosten (nach Stellungnahme durch das Sozialamt) als Darlehen durch das Jobcenter erfolgen. Hierbei gibt es zwischen dem Jobcenter Berlin Lichtenberg und dem Sozialamt eine eng abgestimmte Verfahrensweise mit kurzen Kommunikationswegen, damit die Übernahme in kürzester Bearbeitungszeit erfolgen kann.
     
  7. Wie vielen Mietparteien im Bezirk Lichtenberg hat das Jobcenter Darlehen zur Übernahme von Mietschulden zur Abwendung von Wohnungslosigkeit in 2023 gewährt?
    Im Jahr 2023 wurde 211 Mietparteien ein Darlehen zur Übernahme von Mietschulden durch das Jobcenter Berlin Lichtenberg gewährt.
     
  8. Wie erklärt sich das Bezirksamt, dass überdurchschnittlich viele Zwangsräumungen im Jahr 2023 im Amtsgerichtsbezirk Lichtenberg[1]vollstreckt wurden?
    Das Amtsgericht Lichtenberg ist aufgrund landesgerichtlicher Regelung für die Bezirke Berlin-Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf zuständig. Daher kann das Amt für Soziales Lichtenberg zu der Frage keine valide Aussage treffen. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass die Fachstelle Soziale Wohnhilfe über Räumungsklagen nur dann informiert wird, wenn der Grund für die Räumungsklage Mietschulden sind. Sofern die Räumungsklage auf einer verhaltensbedingten Kündigung oder Kündigung wegen Eigenbedarf resultiert, erhält die Fachstelle Soziale Wohnhilfe keine Information. Die Fachstelle Soziale Wohnhilfe Lichtenberg wurde im Jahr 2023 zu 215 Räumungsterminen von 538 durchgeführten Räumungen informiert. Der Anteil von Marzahn-Hellersdorf ist hier nicht bekannt.
     
  9. Erfolgt nach Mitteilung des Amtsgerichts über Klage auf Räumung von Wohnraum in jedem Fall ggf. mit Hilfe von Sprachmittlung eine persönliche Ansprache der Mietpartei?
    Gemäß der Anordnung über Mitteilung in Zivilsachen vom 29.04.1998 [2. Teil, 2. Ab­schnitt, IV (5)] wird der kommunale Träger der Sozialhilfe über das Vorliegen einer Räumungsklage wegen Mietschulden informiert. Nach Eingang der Mitteilung (MiZi) wird den Betroffenen ein schriftliches Hilfeangebot übermittelt. Dieses Hilfeangebot ist in deutscher Sprache verfasst. Das Anschreiben wird innerhalb von 3 Arbeitstagen gefertigt. Erfolgt innerhalb von 10 Arbeitstagen keine Reaktion der Betroffenen (Kontaktaufnahme), werden Sozialarbeiter im Rahmen der aufsuchenden Arbeit (Hausbesuch) aktiv und ver­suchen, einen persönlichen Kontakt zu den Betroffenen herzustellen. In Einzelfällen wird versucht, eine Sprachmittlung zu organisieren.
     
  10. Mit welchen Veränderungen in den Abläufen des Bezirksamts oder Jobcenters könnten Zwangsräumungen wirksamer vermieden werden?
    Amt für Soziales
    Durch eine persönliche Ansprache im Rahmen der aufsuchenden Sozialarbeit lassen sich mehr Menschen dazu bewegen, die Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrung zeigt, dass der persönliche Kontakt die Berührungsängste mit dem Sozialamt senkt. Dieses Verfahren bedingt aber einen erheblichen Personalaufwand. Zu den regel­mäßigen Arbeitszeiten der Sozialarbeiter ist nur ein geringerer Personenkreis zu Hause anzutreffen. Diese Kontaktversuche müssten daher eher in die Randzeiten (sehr früh bzw. spät im Tagesverlauf) verlagert werden.

    Jobcenter Lichtenberg
    Unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der engen Zusammen­arbeit zwischen Jobcenter und Bezirksamt haben sich die praktizierten Prozesse bewährt. Mit Antragstellung Bürgergeld wird die regelmäßige Mietzahlung, in der Regel der letzten 3 Monate, anhand der vorzulegenden Kontoauszüge geprüft. Gleiches Verfahren gilt für die Weiterbewilligung von Leistungen (spätestens nach einem Jahr). Bei Anhaltspunkten für eine nicht erfolgte Mietzahlung oder bestehenden Mietschulden erfolgt die Zahlung der Miete (sofern Leistungsanspruch ausreichend) per Direktüberweisung ab dem Folgemonat an den Vermieter (§ 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II).

    Mit Antragstellung Bürgergeld wird die regelmäßige Mietzahlung, in der Regel der letzten 3 Monate, anhand der vorzulegenden Kontoauszüge geprüft. Gleiches Verfahren gilt für die Weiterbewilligung von Leistungen (spätestens nach einem Jahr). Bei Anhaltspunkten für eine nicht erfolgte Mietzahlung oder bestehenden Mietschulden erfolgt die Zahlung der Miete (sofern Leistungsanspruch ausreichend) per Direktüberweisung ab dem Folgemonat an den Vermieter (§ 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II).


[1]Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin: Schriftliche Anfrage 19/18 834. Nachfrage zu Zwangsräumungen in Berlin in 2023, Antwort zu Frage 1

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Anfrage | Arbeit, Soziales, Gesundheit | Bürgernähe, Verwaltung, öffentliche Ordnung | Wohnen und Stadtentwicklung