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30.11.22 –
Vorgang: KA/0274/IX
Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:
Unter welchen Voraussetzungen wird die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden bzw. Dächern genehmigt?
Gemäß § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) darf ein Denkmal nur mit Genehmigung der zuständigen Denkmalbehörde in seinem Erscheinungsbild verändert werden. Die Genehmigung nach Satz 1 ist zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt.
Die Denkmalschutzbehörde hat nach § 11 Abs. 1 DSchG Bln zu ermitteln, welche sonstigen öffentlichen Interessen die Maßnahme verlangen und für die Genehmigung sprechen. Die Gewichtung der Gründe bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Im denkmalrechtlichen Genehmigungsverfahren ist ebenfalls zwischen den Belangen der Eigentümer*innen und den Denkmalbelangen abzuwägen.
Es werden geprüft:
visuelle und substanzielle Beeinträchtigungen,
Möglichkeiten der Reduzierung der Beeinträchtigungen,
Standortalternativen
Bei Dächern, die keinen unmittelbaren Anteil an der Denkmaleigenschaft aufweisen (z. B. Flachdächer) sind Photovoltaik (PV)-Anlagen grundsätzlich genehmigungsfähig, sofern sie horizontal bzw. flach geneigt installiert werden. Bei Steildächern sind PV-Anlagen zulässig, sofern die Beeinträchtigungen nicht zu einer erheblichen Minderung des Denkmalwertes führen.Nicht genehmigungsfähig sind PV-Anlagen auf Steildächern von Gebäuden mit einer städtebaulich-exponierten Sonderstellung oder deren Dächer einen eigenen stadtbildprägenden Denkmalwert besitzen. Dies trifft häufig bei Sakralbauten zu.
Inwiefern haben sich die rechtlichen Möglichkeiten, bzw. die rechtliche Einschätzung des Bezirksamtes zur Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden seit der neusten EEG-Novelle geändert?
Im Bezirksamt hat sich die Genehmigungspraxis seit der neuesten EEG-Novelle nicht geändert, da die untere Denkmalschutzbehörde bereits seit Aufkommen von PV-Anlagen gemeinsam mit den Denkmaleigentümer*innen denkmalverträgliche Lösungen
entwickelte.
Welche Voraussetzungen gelten für die Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen in sozialen Erhaltungsgebieten?
Seit Rechtskraft der sozialen Erhaltungsverordnungen waren Photovoltaikanlagen in Lichtenberg bisher kein Gegenstand sozialerhaltungsrechtlicher Genehmigungsverfahren. Auch traten keine Grundstückseigentümer oder andere mögliche Antragsteller an den Fachbereich Stadtplanung bezüglich etwaiger Vorhaben heran. Es gibt daher im Bezirk Lichtenberg noch keine definierten Bewertungsmaßstäbe oder etablierte Genehmigungspraxis für PV-Anlagen. Auch beinhalten die beschlossenen Prüfkriterien zur Umsetzung der sozialen Erhaltungsverordnungen bisher keine entsprechenden Inhalte.
Vor dem Hintergrund des kürzlich in Kraft getretenen Berliner Solargesetzes ist dem Fachbereich Stadtplanung jedoch die zunehmende Relevanzsteigerung bewusst. Derzeit gibt es Bestrebungen seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, in Zusammenarbeit mit den Bezirken, einen Leitfaden zu entwickeln, wie PV-Anlagen mit unseren Milieuschutzbelangen in Einklang zu bringen sind.
Wie viele Anträge auf Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden bzw. Dächern wurden in Lichtenberg in den Jahren 2018 bis 2022 gestellt?
Zwischen 2018 und 2022 wurden 5 denkmalrechtliche Anträge gestellt, die von der unteren Denkmalschutzbehörde als Anträge für PV-Anlagen erfasst wurden.
Wie viele Anträge wurden abgelehnt oder nur teilweise genehmigt?
1 Antrag wurde abgelehnt.
2 Anträge befinden sich in Bearbeitung.
2 Anträge wurden genehmigt.
Aus welchen Gründen wurden diese abgelehnt oder nur teilweise genehmigt? Es wird gebeten, diese einzeln mit der jeweiligen Begründung aufzulisten.
2021 wurde durch die Berliner Stadtwerke Kommunalpartner GmbH ein Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung einer PV-Anlage auf den Dächern des Verwaltungsgebäudes und dem ehemaligen Dienstgebäude der Abteilung XIV des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sowie dem Zellen- und Vernehmertrakt der Gedenkstätte Hohenschönhausen gestellt. Dieser Antrag wurde im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt Berlin und der Geschäftsführung der Stiftung der Gedenkstätte Hohenschönhausen mit untenstehender Begründung abgelehnt.
Begründung:
Zur Denkmaleigenschaft der Gedenkstätte Hohenschönhausen führt das Landesdenkmalamt zum Zeitpunkt der Beurteilung des Bauvorhabens Folgendes aus:
Der Denkmalbereich der Gedenkstätte Hohenschönhausen besitzt geschichtliche Bedeutung, weil sie als Zentrale Untersuchungshaftanstalt des NKWD und des Ministeriums für Staatssicherheit diente und in besonderem Maße für die Perfektion des politischen Strafvollzuges in der ehem. DDR charakteristisch ist. Sie ist eine bauliche Dokumentation eines vom MfS ausgehenden psychischen Terrors. Das für die Staatssicherheit wichtige konspirative Moment wird anschaulich durch die ausgewählte territoriale Objektwahl für eine Untersuchungshaftanstalt: Die sowjetischen Sicherheitsorgane entschieden sich für die tarnenden Gebäude einer Fabrikanlage, mitten in einem Industriegebiet, abseits der Wohnbebauung. Mit dem MfS perfektionierte und verselbständigte sich dieses Gebiet zusehends: Umgebende Industriebetriebe waren dem MfS unterstellt, staatstreue Bevölkerungsschichten wurden in den nahen Wohnhäusern angesiedelt.
Nach Aussagen ehem. Inhaftierter gab es die Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen offiziell überhaupt nicht: Entlassungspapiere waren auf Rummelsburg ausgestellt; Besuch konnte man auch nur in Rummelsburg bekommen.
Der dokumentarische Erhalt der Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen, Genslerstraße 66 / Lichtenauer Straße, liegt im Interesse der Allgemeinheit, weil sie zur notwendigen Auseinandersetzung besonders mit diesem Teil der DDR-Geschichte - der Aufdeckung der Machtstrukturen und der Arbeitsweise des MfS sowie dessen Verflechtung mit staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen der DDR - beiträgt. Teile der o.g. Haftanstalt - das sog. U-Boot - haben Seltenheitswert, da es nach gegenwärtigen Erkenntnissen keine vergleichbare Dunkelzellenanlage dieser Art in Deutschland gibt.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei einem Denkmal, an dessen Erhaltung insbesondere auch aus den oben genannten geschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht, eine möglichst umfassende und ungestörte Erhaltung der Identität seiner Substanz und seines Erscheinungsbildes eine überragende Bedeutung hat. Die Errichtung einer solchen PV-Anlage würde zu einer empfindlichen Störung des Erscheinungsbildes und zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung des Denkmalswertes der Gesamtanlage führen.
Angesichts der Einmaligkeit der Gesamtanlage der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS haben die Belange des Denkmalschutzes Vorrang gegenüber den Interessen an der verstärkten Nutzung einer umweltfreundlichen Energie.
Die Grundsätze von Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit sind Teil des gesetzlichen Auftrags von Denkmalschutz und Denkmalpflege. Fest zu halten ist diesbezüglich aber auch, dass der öffentliche Belang des Klimaschutzes kein Vorrecht gegenüber dem Belang des Denkmalschutzes genießt.
Die Geschäftsführung der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen spricht sich gegen eine Belegung der Dächer der denkmalgeschützten ehemaligen Haftanstalt und der dazu gehörenden Gebäude mit Photovoltaik aus.
Die Anlagen wären einerseits von verschiedenen öffentlich zugänglichen Gebäudeteilen oberhalb der Erdgleiche und andererseits bei Luftaufnahmen (u.a. für Filmproduktionen) sichtbar. Damit würde die Belegung mit Photovoltaik eine optisch sichtbare Veränderung des historischen Ensembles darstellen. Zu den zentralen Aufgaben der Stiftung gehören aber seit ihrer Gründung der Erhalt und die Pflege der denkmalgeschützten Anlage als historischer Ort der politischen Verfolgung. Dabei ist es wichtig, dass der authentische Charakter der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS bewahrt wird.
Die geplante Photovoltaikanlage ordnet sich weder in Bezug auf Farbigkeit, Struktur, Größe und Standort dem Gesamterscheinungsbild des Denkmals unter noch fügt sie sich in den gestalterischen Charakter der bestehenden Architektur ein. Der Standort ihrer Montage ist nicht unauffällig und durch die öffentliche Nutzung der Gedenkstätte auch vom öffentlichen Raum sichtbar.
Aus den obengenannten Gründen, wurde der Errichtung einer Photovoltaikanlage gemäß § 11 Abs. 1 DSchG Bln nicht zugestimmt.
Kategorie
Anfrage | Bürgernähe, Verwaltung, öffentliche Ordnung | Klimaschutz, Umwelt, Grünflächen | Wohnen und Stadtentwicklung