BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Fraktion Berlin-Lichtenberg

Antisemitismus in Lichtenberg

06.12.23 –

Vorgang: KA/0539/IX

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

  1. Gibt es einen Anstieg von Antisemitismus seit dem ersten Angriff der Hamas auf Israel im Bezirk zu verzeichnen?

    Mit Stand 30. November 2023 gab es 18 als antisemitisch bzw. mit antisemitischen Bezügen gemeldete Vorfälle beim Register in 2023. Im gesamten Vorjahr waren es laut Register 15 Vorfälle. Seit dem 7. Oktober konnten mindestens sechs als antisemitisch eingestufte Vorfälle registriert werden, die nachfolgend aufgelistet sind. Unter diesen Meldungen ist ein Fall, der in Verbindung zu den Geschehnissen seit dem Angriff der Hamas auf Israel zu sehen ist (30. Oktober 2023). Ein weiterer Fall des israelbezogenen Antisemitismus ist die Meldung eines Stickers mit einem durchgestrichenen Davidstern und "Fuck you Israel" der neonazistischen Partei „Der III. Weg“. Hinzu kommen zahlreiche Hakenkreuzschmierereien, die vor allem in Alt-Hohenschönhausen festgestellt worden sind

  • 9. Oktober 2023: Auf der Landsberger Alle, Höhe "Altenhofer Straße" wurde auf den Gehweg in pinker Farbe "FCK Jacob Rothschild" geschmiert. Der Name der Familie Rothschild erfüllt bis heute die Funktion, eine vermeintlich jüdische Allmacht über das weltweite Finanzwesen zu konstruieren. Hierbei handelt es sich um eine antisemitische Verschwörungserzählung.
     
  • 23. Oktober 2023: An der Tramhaltestelle Rüdickenstraße wurden mehrere Aufkleber der extremen Rechten entdeckt und entfernt. Hierunter befand sich ein Aufkleber der einen durchgestrichenen Davidstern und "Fuck you Israel" zeigt, ein antimuslimischer Aufkleber und ein Sticker, der sich positiv auf den Nationalsozialismus bezieht.
     
  • 30. Oktober 2023: In der Sewanstr. wurden vier Plakate mit Fotos und Namen von israelischen Geiseln der Hamas abgerissen und zerstört. Plakate mit anderem Inhalt direkt daneben waren nicht betroffen. Da der Hamas-Terror gegen israelische Zivilistinnen und Zivilisten islamistisch und antisemitisch motiviert war, wird die Zerstörung dieser Plakate als antisemitisch gewertet.
     
  • 19. November 2023: Im Archibaldweg wurde "Juden" über ein Fußball-Graffiti von Union-Berlin geschrieben. In der gleichen Schriftart wurde 10-mal "BFC Hools" an die Hauswände des Archibaldwegs gesprüht. Da es eine Feindschaft zwischen den Fangruppierungen im Fußball gibt, ist davon auszugehen, dass der Schriftzug "Juden" abwertend gegenüber der gegnerischen Mannschaft gemeint ist.
     
  • 22. November 2023: Blumengestecke, die am Gedenkstein für die ehemalige Synagoge in Alt-Hohenschönhausen abgelegt wurden, wurden mutwillig zerstört und in das umliegende Gebüsch geworfen. Es handelte sich dabei um Blumengestecke, die von den BVV-Fraktionen in Gedenken an den 9. November 1938 dort abgelegt wurden.
     
  • 26. November 2023: In die Kneipe "Morgen wird Besser" wurde in der Nacht vom Sonntag auf Montag eingebrochen. Am Kellerzugang zur Bar wurden die Zahlenkombination "88" (Heil Hitler) sowie ein Davidstern mit einem "J" in blauer Farbe hinterlassen. Der jüdische Besitzer der Kneipe wurde bereits in den vergangenen Jahren mehrfach antisemitisch bedroht.
  1. Welchem politischen Spektrum sind Fälle antisemitischer Gewalt im Bezirk zuzuordnen?
    Aufgrund der bisherigen Meldungen des Registers ist davon auszugehen, dass der Großteil der antisemitischen Vorfälle der extremen Rechten zuzuschreiben ist. Im Fall der abgerissenen Plakate am 30. Oktober lässt sich kein bestimmtes Spektrum identifizieren.
     
  2. Welche Maßnahmen ergreift das Bezirksamt Lichtenberg zum Schutz jüdischer Orte (Schulen, Friedhöfe, Orte der Zusammenkünfte jüdischer Gemeinschaften usw.) in Lichtenberg?
    In Lichtenberg gibt es bis auf die Stolpersteine und den Gedenkstein für die ehemalige jüdische Synagoge in der Konrad-Wolf-Straße keine sichtbaren Spuren ehemaligen jüdisches Leben mehr. Der einzige Ort, der mit jüdischem Leben heute in Lichtenberg in Verbindung gebracht wird ist die Bar „Morgen wird besser“ in der Hagenstraße 7a, da der Inhaber Jude ist und u.a. mit dem Antisemitismusbeauftragten des Bezirks und den jüdischen Familien eng zusammenarbeitet. Seit dem Brandanschlag 2020 finden dort regelmäßige Streifenfahrten der Polizei und von zivilen Einsatzkräften statt, die nach dem 7. Oktober noch einmal erhöht wurden.
     
  3. Plant das Bezirksamt eine verstärkte Aufklärungsarbeit, um antisemitischen Straftaten vorzubeugen?
    Bereits seit der Einrichtung der Stelle des Beauftragten gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben finden mehrmals im Jahr Veranstaltungen zur Antisemitismusprävention im Bezirk statt. Diese richten sich sowohl an die allgemeine Öffentlichkeit, als auch gezielt an Fachkräfte der Verwaltung, Schule, Sozialarbeit und der Polizei. Diese sollen auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Der Fokus auf israelbezogenen Antisemitismus wird dabei noch einmal stärker beleuchtet.
     
  4. Welche Anstrengungen ergreift das Bezirksamt, um eine zunehmende Polarisierung in der Debatte rund um den Israel-Palästina-Konflikt zu befrieden?
    Als erste Maßnahme wird es voraussichtlich Anfang des Jahres 2024 im Hubertusbad eine Dialogveranstaltung mit dem Titel „Zwischen hier und da. Zum Krieg im Nahen Osten und dem Jüdisch-Muslimischen Leben in Deutschland“ des Beauftragten gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben zusammen mit Lichtenberger Bürgerinnen und Bürgern geben. Da es seit dem 7. Oktober und auch davor nur wenige öffentliche Auseinandersetzungen zum Israel-Palästina-Konflikt in Lichtenberg gab, soll das Thema vor allem mit Partnern aus anderen Bezirken besprochen werden, um gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen. Darüber hinaus haben mindestens die Jugendfreizeiteinrichtungen eigene Maßnahmen ergriffen. Sowohl interne Weiterbildungen wurden organisiert als auch Diskussionen mit den Jugendlichen gesucht.

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